Es kann nicht sein, dass Sie diesen Text nicht lesen!

Vielleicht liegt es ja daran, dass ich mich professionell mit Sprache beschäftige. Auf jeden Fall scheine ich eine Allergie gegen Floskeln zu haben. Auf eine reagiere ich seit Ausbruch der Corona-Pandemie besonders empfindlich: „Es kann nicht sein…!“

Ein paar Beispiele aus den vergangenen Tagen:

  • „Es kann nicht sein, dass die Zahlen weiter durch die Decke gehen!“ Tun sie aber.
  • „Es kann nicht sein, dass sich einzelne Bundesländer über die beschlossenen Maßnahmen hinwegsetzen!“ Tun sie aber.
  • „Es kann nicht sein, dass unsere Regierung sich von einem Lockdown zum anderen hangelt!“ Tut sie aber.
  • „Es kann nicht sein, dass ich für einen Urlaub an der Nordsee kein Haus mieten, aber nach Mallorca oder an die Algarve fliegen kann!“



Warum mich diese Es-kann-nicht-sein-Floskeln stören? Weil unsere Gesellschaft, so mein Eindruck, mit jedem Lockdown gereizter wird, die Empörung zunimmt und dieses Gefühl immer weniger Raum lässt für eine Analyse von Ursachen und eine Abwägung von Argumenten. Natürlich kann sein, was angeblich nicht sein kann – auch wenn die Zustände einen aufregen oder gar skandalös erscheinen.

Die Kann-nicht-sein-Haltung ist das Gegenteil dessen, was Unternehmertum ausmacht: Wer kann es sich – als Firmenchef oder Firmenchefin – leisten, die Augen vor dem zu verschließen, was einen ausbremst oder ärgert? Empörung lähmt und verstellt den Blick auf kluge Entscheidungen. Dabei sind wir gerade jetzt gefordert, unsere Teams und Familien zu schützen, unsere Geschäftsmodelle – im Hinblick auf künftige Pandemien – weiterzuentwickeln und uns auch bei politischen Entscheidungen, die uns ja alle betreffen, mit guten Argumenten zu Wort zu melden.

Etwas mehr Machertum („Jetzt erst recht!“) und etwas weniger Empörung („Es kann nicht sein!“) würde uns allen gut zu Gesicht stehen

Veröffentlicht in MBO

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