Noch haben wir keine Spesenordnung, keine schriftlichen Compliance-Regeln, und sicherlich fehlen uns – als jungem Unternehmen – auch noch andere Dinge, von denen ich bislang noch nicht einmal geträumt habe. Eine Sache allerdings, da bin ich mir ganz sicher, werden wir uns auch in Zukunft sparen: eine „Berufskleidungsempfehlung“, wie sie die Drogeriekette Budniskowsky entworfen hat und aus der das „Hamburger Abendblatt“ heute genüsslich zitiert (http://www.abendblatt.de/hamburg/article114702215/Budni-fordert-Beinrasur-von-Beschaeftigten.html) und seinen Lesern einen Ausriss (siehe unten) präsentiert.
Ein paar Highlights: Für Ringe gilt die Empfehlung „maximal zwei pro Hand“, für Halsketten: „nur Silber/Goldfarben oder dezenter Modeschmuck – nicht zu breit (über 2 cm)“, oder, was man auch Döner-Verbot nennen könnte: „Die Mitarbeiter sollten für frischen Atem sorgen und sind angehalten, Speisenverzehr mit unangenehmem Atemeffekt unmittelbar vor Arbeitsantritt und auch während der Dienstzeit zu vermeiden.“ Nagellack soll bitte unauffällig – transparent, rosé oder hell – sein, ebenfalls die Haarfarbe. Und natürlich sollten sich Frauen die Beine rasieren! Wer Lust auf noch mehr schöne Zitate hat, lese am besten den Abendblatt-Artikel. Ich nenne nur ein paar weitere Wörter, die eine Rolle spielen, damit Sie sich ein Bild davon machen können, wie gewissenhaft sich da jemand Gedanken (und Sorgen) gemacht hat: High Heels, Hosenbein, Fersenabschnitt, Deodrant, Zähne, Schmuck, Piercing, Nasenring, Oberlippenbärte, modischer Dreitagebart, stoppelig, Teint, Naturfarben, blau, pink, lila…
Okay, ich habe leicht reden, da viele Redakteure, so das Klischee, stundenlang in ihrem Kämmerchen sitzen und über Texten brüten – ohne Kundenkontakt. Auch ist das wahrscheinlich ungerecht gegenüber Budni, die das vielleicht gar nicht so gemeint haben, sondern wohl einfach nur etwas über das Ziel hinausgeschossen sind. Die Personalchefin, berichtet das Abendblatt, rudert auch bereits zurück: Dies sei nur als Orientierung gemeint gewesen, außerdem werde man sich von dem umstrittenen Papier verabschieden.
Also – was lerne ich? Erstens: Auch in preisgekrönten Familienunternehmen gibt es zuweilen einen Unterschied zwischen gut gemeint und gut. Zweitens: Ich sollte noch einmal prüfen, ob mein Hosenbein die korrekte Länge hat. Und drittens: Bei allem Gerede über die Medienkrise muss ich mir wohl keine Sorgen machen. Es scheint nach wie vor einen Mangel an Kommunikationsprofis zu geben. Das ist – für ein junges Medienunternehmen – doch einmal eine gute Nachricht!
Versteckt sich zwischen den Zeilen da die kopfschüttelnde Frage ob es überhaupt opportun ist so eine interne Leitlinie vorzugeben? Von der Bundeswehr über McDonalds bis hin zum Abercrombie & Fitch Store gibt es Vorgaben wie Mitarbeiter sich zu kleiden und zu verhalten haben. Ist das tatsächlich ehrenrührig? Würde der geneigte Kunde es nicht als unauthentisch empfinden beim Bioladen um die Ecke von einer aufgedonnerten Blondine mit fingerdickem Makeup und falschen Fingernägeln seine regional geernteten Schrumpelkartoffeln in die Papiertüte gelegt zu bekommen. Das Auftreten der Mitarbeiter ist ja ein nicht ganz unwesentliches Merkmal wie Kunden einen Anbieter erleben … zumal im Handel. Mag sein das Budni es nicht einfach in einem Memo verteilen sollte, aber in der Sache ist es doch eigentlich nachvollziehbar, oder?
Hallo Herr von Gwinner, ja, Sie haben Recht. Natürlich spielt es eine Rolle, wie die Mitarbeiter gekleidet sind – vor allem in Branchen mit sehr viel Kundenkontakt. Im Fall Budni geht es deshalb wohl nicht nur um die Frage, was genau vorgeschrieben wird, sondern eher um die Art und Weise, WIE den Mitarbeitern Leitlinien vermittelt werden, also um eine Managementaufgabe. In „impulse“ haben wir vor zwei Jahren einmal einen Text zu „Corporate Fashion“ veröffentlicht, die Unterzeile hieß damals: „Firmenmode kann das Team zusammenschweißen und die Visitenkarte einer Firma sein, wenn alle sich wohlfühlen.“ Nur: Dies zu erreichen, ist eben nicht trivial. Ähnlich wie Budni erging es vor ein paar Jahren der Bank UBS. Die hatte ein 44 Seiten dickes Werk zum passenden Auftritt der Kundenberater entworfen: hautfarbene Unterwäsche, alle vier Wochen zum Friseur, in der Woche kein Knoblauch – doch auch die zogen ihre „Empfehlungen“ dann sehr schnell wieder zurück.
Hallo Herr Förster, in der Frage der Vermittlung gebe ich Ihnen sofort recht. Nur unterstelle ich, dass die populäre Aufregung im Abendblatt darauf nicht abzielte. Die spannende Frage ist: Wie lässt sich denn so eine interne Kultur inkl. Kleiderordnung und Hygienevorgaben optimal in ein Unternehmen bringen.