Wie muss sich der Journalismus verändern? Das ist die Leitfrage des Reporterforums, bei dem jedes Jahr ein paar hundert Journalisten im SPIEGEL zusammenkommen – zu Workshops und Grundsatzdebatten (http://www.reporter-forum.de/). Man hätte – angesichts des Titelsterbens und der anhaltenden Schwierigkeit, im Netz Geld zu verdienen – wohl auch fragen können: Warum geht es dem Journalismus eigentlich so schlecht? Oder: Hat es nicht etwas Hybrides, in solch einem bombastischen Glaspalast wie dem des SPIEGEL (siehe Foto unten) zu arbeiten, während die etablierten Medien-Geschäftsmodelle kollabieren?
Meine Antwort auf die Frage nach dem Zustand des Journalismus – man hatte mich als Referent eingeladen – fiel recht simpel aus: Es sei Zeit für eine stärkere Selbstkritik, sagte ich. Im Journalismus gebe es einfach zu viele Analphabeten, die mit schlechtem journalistischen Handwerk ihre eigene Glaubwürdigkeit verspielen. Und zu viele Zyniker, die das hehre Gut der Unabhängigkeit mit kalter Distanz verwechseln. Immer noch wird häufig ein Helikopterjournalismus betrieben: Ein Journalist schwebt über den Dingen, wirft einen Text ab und wendet sich dem nächsten Thema zu, ohne sich darum zu scheren, was sein Text anrichten könnte. Wer so seinen Ruf verspielt, müsse sich nicht wundern, wenn Leser, Zuhörer oder Zuschauer irgendwann ausbleiben. Wer als Medium eine Zukunft haben wolle, müsse für die Leser relevant und glaubwürdig sein – so wie es nur noch wenige Medien schaffen.
Aber es gibt Hoffnung: „Seit zwei bis drei Jahren zählt sich meine Frau zu Ihren Lesern“, zitierte ich am Ende meines Statements aus einem Leserbrief an die Frauenzeitschrift „Brigitte Woman“. Die Lektüre habe zu Veränderungen geführt, die er – der Leser H. Stolze aus Berlin – nicht gutheiße: „1. Meine Frau färbt sich die Haare nicht mehr…. 2. Meine Frau kocht abends nicht mehr regelmäßig warm, weniger Fleisch und mehr Gemüse. 3. Meine Frau lenkte zuletzte das Gespräch auf Themen, die mir unangenehm sind: Sie behauptet etwa, dass das Sexualleben im Alter ja nicht unbedingt schlechter werden müsste.“ So weit, so erstaunlich. Doch dann fuhr der Leser fort: „Ich führe diese Punkte allesamt auf die Lektüre Ihrer Zeitschrift zurück, da mir kein anderer äußerer Einfluss bekannt ist, der derlei bewirkt haben könnte. Besonders die Punkte zwei und drei“ – er meint wohl Fleisch und Sex – „schränken meinen Alltag doch sehr ein, und ich könnte mir vorstellen, dass ich damit nicht allein bin in der Altersklasse über 70. Daher möchte ich Sie fragen, ob es nicht möglich wäre, im Sinne des Ausgleichs mal einen Artikel zu schreiben und zu veröffentlichen, der die Muße beim Kochen in den Vordergrund stellt oder die Zurückhaltung beim Sex. Das wäre ein Anfang!“
Also: Weniger Fleisch, mehr Sex. Weniger Zynismus, mehr Handwerk. Auch das wäre ein Anfang.
Sehr geehrter Herr Förster, Ihre Meinung kann ich nur rückhaltlos teilen. Als Übersetzer gehören wir zum „Stealth“-Part der Presseszene und beobachten in unserem Unternehmen seit Jahren das von Ihnen beschriebene Helikopter-Phänomen. Ich danke Ihnen für Ihren erfrischenden und handwerklich hervorragenden Journalismus. Sie tun der Presselandschaft gut!