Das unwürdige Gezerre um den Vorstandsposten von Siemens ist vorbei. Peter Löscher hat das Vertrauen der Mehrheit des Aufsichtsrats verloren, Finanzchef Joe Kaeser ist die neue Nummer eins. Und schon tauchte er in den „Tagesthemen“ auf. In die Kameras sagte er:
Der Schlüssel zum Erfolg – und das ist es, was den Unterschied macht -, das ist die Kultur eines Unternehmens und seine Werte und wofür es steht. Es geht darum, diese Werte jeden Tag zu leben.
Da ist es wieder: das schöne Wort der „Firmenkultur“. Hört sich gut an. Nur: Wer glaubt daran, dass Siemens tatsächlich noch einmal zu seinen Wurzeln zurückkehrt? Dass es tatsächlich gelingt, diese Werte, wie Kaeser sagt, „jeden Tagen zu leben“? Zu wünschen wäre es dem Konzern ja, einer der großen deutschen Marken. Nur: Ist das überhaupt möglich?
Mein Eindruck – nach einem halben Jahr als Mittelständler und all meinen Erfahrungen im Konzern – ist ziemlich eindeutig: Nein, ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Je größer ein Unternehmen ist, desto schwieriger wird es, für eine Firmenkultur zu sorgen, die tatsächlich alle erreicht. Wie kann es – im Fall Siemens – gelingen, weltweit mehr als 300.000 Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel zu vereinen? Vor allem dann, wenn noch nicht einmal in der Führungsriege an einem Strang gezogen wird?
Wahrscheinlich ist das eine der größten Managementaufgaben überhaupt: dafür zu sorgen, dass sich Mitarbeiter nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich von gemeinsamen Werten leiten lassen.
Das Traurige ist: Kaeser hat ja eigentlich Recht. Auch ich bin davon überzeugt, dass die Firmenkultur den Unterschied ausmacht – zwischen all den Firmen, die mehr oder wenig erfolgreich laufen, und den wenigen, die für etwas Besonderes stehen – und richtig erfolgreich werden.
Nur: In Deutschland, so mein Eindruck, wird den Chefs immer noch viel zu viel Aufmerksamkeit zuteil – als hänge die Zukunft eines Unternehmens vor allem von Entscheidungen eines Einzelnen ab. Das Gegenteil ist der Fall. Natürlich müssen diejenigen, die die Verantwortung tragen, gute Entscheidungen treffen. Doch vor allem kommt es auf ein gutes Team an. Ob es gelingt, herausragende Mitarbeiter um sich zu scharen, ob diese Dienst nach Vorschrift leisten oder sich selbst – wie Unternehmer – in der Verantwortung sehen und die Firma voranbringen, hängt extrem stark von der Firmenkultur ab.
Als ich führende Vertreter der „Small-Giants“-Bewegung vor zwei Jahren zum Interview in Konstanz traf (http://www.impulse.de/unternehmen/wir-wollen-nicht-um-des-wachstums-willen-wachsen) – sie machten damals ihre erste Tagung in Europa –, ahnte ich noch nicht, was sich Jahre später daraus entwickeln würde. Noch vor einem dreiviertel Jahr, als ich den MBO vorbereitete, unterschätzte ich das Thema Firmenkultur. Als ich damals mit einem kleinen Team unseren Businessplan schrieb, ging es vor allem um die Themen Strategie, Vertrieb, Marketing, Zielgruppen etc. Jetzt, nach der MBO-Erfahrung und den konkreten Planungen zu unserer ersten impulse-Unternehmerreise in die USA (siehe dazu www.impulse.de/unternehmerreisen und meinen Blogeintrag „Was wir von den Amerikanern lernen können“, https://impulsemagazin.wordpress.com/2013/06/15/was-wir-von-den-amerikanern-lernen-konnen/), habe ich einen vollkommen anderen Blick auf das, was Unternehmen erfolgreich macht: Wer es nicht schafft, eine attraktive Firmenkultur zu schaffen, wird auf Dauer nicht erfolgreich sein – egal wie gut die Ideen sein mögen, die man entwickelt hat. Egal, wie viel Kapital man zur Verfügung hat. Egal wie gut die aktuelle Marktposition gerade sein mag.
Wachstum und Größe mögen für einen Moment faszinierend sein, doch auf Dauer werden sie Unternehmer – und Mitarbeiter – nicht fesseln können. Natürlich ist es ein gutes Gefühl, Geld zu verdienen (was ja im Verlagswesen keineswegs mehr selbstverständlich ist..). Doch wer den Anspruch hat, mehr zu bewegen (und ich bin davon überzeugt, dass sehr viele Unternehmer dies tun), muss mehr bieten – so wie es die Gruppe der „Small Giants“ vormacht, von denen die impulse-Gruppe im Oktober in Chicago einige treffen wird. Für sie ist Größe kein Selbstzweck. Ihr Leitspruch lautet:
„Wir wollen nicht groß, sondern großartig sein.“