Die Vorjury- und Jurysitzungen hatten schon vor Monaten stattgefunden, theoretisch hätte ich schon damals anfangen können, meine Laudatio auf die Preisträger – die Familie Leibinger vom Werkzeugmaschinen- und Laserhersteller Trumpf (siehe http://www.trumpf.com/de.html) – zu schreiben. Theoretisch ja, praktisch allerdings war dies angesichts dessen, was wir gerade tun, ausgeschlossen. Und so kam es, wie es kommen musste. Als ich in Bensberg anreiste, hatte ich zwar etliche Bücher, Textpassagen und handschriftliche Notizen dabei, aber keine ausgearbeitete Laudatio (immerhin: das Preisträger-Interview mit Nicola Leibinger-Kammüller, das wir im nächsten Heft abdrucken, war lange fertig). Und da ich tagsüber – zusammen mit zwei Kolleginnen – kleinere Filme mit den Preisträgern der vergangenen Jahre drehte (mit den Chefs von Miele, Dachser, Griesson-deBeukelaer, Messer, Heraeus und Trumpf), wurde die Zeit irgendwann knapp. Wir drehten die Filme anfangs in der Bibliothek von Schloss Bensberg – wo meine Kollegin Laetitia Seybold auf eine alte Brockhaus-Ausgabe aus den 1950er-Jahren stieß.
Unglaublich, was für ein Familienbild damals herrschte:
Familie, 1) heute in der Regel das Elternpaar mit den unselbständigen Kindern als Einheit des Haushalts: Die Kleinfamilie im Unterschied zur erweiterten F. älterer Zeiten, die weitere Verwandtschaft und lediges Gesinde in die Hausgenossenschaft einbezog. Nicht der Personenstand, sondern die Hausgenossenschaft unter der Einheit der väterlichen Gewalt ist der ursprüngl. Sinngehalt des röm.-rechtl. Begriffs der F., der als latein. Fremdwort im Abendland seit dem 16. Jh. Eingang fand. Im älteren Deutsch hieß es dafür „Weib und Kind“.
Immerhin, ein perfekter Einsteig für eine Laudatio auf die „Familienunternehmer des Jahres“. Um es kurz zu machen, es wurde – trotz wunderbarer Brockhaus-Vorlage – eng, sehr eng: Um kurz vor 20 Uhr schickte ich das Manuskript (hier können Sie es nachlesen: http://bit.ly/1cK9YtQ) von meinem Laptop an die Rezeption des Hotels, die druckten es aus, dann schnell weiter zum Festsaal. Ich war gerade noch rechtzeitig da, die Manuskriptblätter waren noch warm, als ich ans Pult trat.
Eines habe ich mir geschworen: So einen Stress möchte ich nicht noch einmal erleben. Die nächsten sechs Monate werden uns sicherlich noch stark binden – mit all den zum Teil radikalen Veränderungen, die wir jetzt vornehmen (Vertrieb, Kundenbetreuung, Vermarktung etc.). Aber dann – irgendwann – sollte auch mal wieder der Alltag zur Geltung kommen. Vor allem darum, weil es ja keine Alternative gibt: Drei Dinge, sagte Nicola Leibinger-Kammüller in ihrer Dankesrede, könne man sich nicht aussuchen: „Den Vater, die Mutter und die Firma.“ Und sie ergänzte: „In einem Familienunternehmen Verantwortung tragen zu dürfen, ist der schönste Beruf der Welt.“
Ich sähe so müde aus, sagte mir die Trumpf-Chefin später, als wir nach der Preisverleihung zusammen am Tisch saßen.Vor zwei, drei Jahren, als sie mich in Hamburg besucht hatte und wir ein Interview machten, hatte sie mein übervoller Schreibtisch geschockt. Sie hatte mir nach ihrer Rückkehr nach Ditzingen kurzerhand ein paar Tipps von ihren Kollegen schicken lassen, wie man das professionell in den Griff kriege… Ich gestand ihr, dass der Schreibtisch in meinem neuen Büro ähnlich aussehe, die Stapel eher noch höher geworden seien. „Herr Förster“, sagte sie, „Sie sollten sich einen weiteren Assistenten leisten, der Sie entlasten kann!“