„Wir kaufen gern bei Gewinnern, nicht bei Verlierern“

Ich saß einem der bedeutendsten Buchhändler Deutschlands gegenüber, dem Hamburger Wilfried Weber, 74 Jahre alt, in seinem Geschäft „Felix Jud“, das im Herbst sein 90-jähriges Jubliäum feierte. „Wann kommen Sie eigentlich noch zum Lesen?“, fragte ich ihn, als wir in der oberen Etage an seinem hölzernen Tisch saßen, umringt von unzähligen Büchern. Er knipste eine gläserne Lampe in Form eines Flugzeugs an. „Sie wissen, dass das die falsche Frage ist, oder?“, sagte er streng. Lesen, sagte er, sei ein Lebensmittel. Ohne ginge es nicht. Wer sich weiterentwickeln wolle, müsse lesen – und mit einem Mal fühlte ich eine Sehnsucht in mir nach der Zeit, als ich genau so geantwortet hätte. In Sekundenschnelle spulte ich viele Jahre zurück, ich landete in Bonn, dort, wo ich in den 90er-Jahren an der Universität studierte, promovierte, mein ganzes Geld in Literatur steckte, als mein Leben vor allem aus Büchern bestand, aus Belletristik, Kunstgeschichte, Philosophie – nicht aus Managementliteratur. Nach ein, zwei Stunden verließ ich die Buchhandlung, hatte erfahren, wie das Geschäft vor fast 25 Jahren durch Brandstiftung komplett zerstört wurde und es danach doch weiterging, hatte eine Anekdote („Mein größter Fehler“) aufgeschrieben, in der überrraschender Weise Romy Schneider eine Rolle spielte (siehe nächstes Heft), und einen Tipp mitgenommen für Unternehmer, die – wie Buchhändler oder Verleger – in einem schwierigen Markt agieren: „Wir kaufen gerne bei Gewinnern, nicht bei Verlierern!“ Und: Ich hatte – zwei Wochen nach Silvester – einen weiteren Vorsatz im Gepäck: Wieder mehr Lesen! Gute Literatur! (Das muss doch auch Unternehmern gelingen…)

Veröffentlicht in MBO

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